MBTI – Myers & Briggs

And I know it’s only in my mind. — Les Misérables

Persönlichkeit also. Ist nicht heilbar, sagt meine Therapeutin. Ich kann nur lernen, mit ihr für mich, statt gegen mich auf die Spielfelder des Lebens zu ziehen.

Ich sitze da und denke darüber nach, wie ich das anstellen werde.

Gibts da was von Ratiopharm?

Nein. Aber von Myers und Briggs.

Über den Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) habe ich mit meiner Therapeutin nur ein einziges Mal kurz gesprochen, obwohl der Tag, an dem ich den Test machte, für mich eine Offenbarung war. Die Erkenntnis, dass ich INFJ bin, hat mich mehr erleuchtet als die meisten Jahre, die ich mit mir verbracht habe. Aber ich wusste inzwischen, dass meine Therapeutin das Kategorisieren von Menschen ablehnt; wie wenig sie es mag, wenn ich freimütig einen Köpfer in irgendeine Schublade mache, und wie groß ihre Sorge ist, dass ich Befunde als Entschuldigung missbrauche. Darüber hinaus ist mir hinlänglich bewusst, dass der MBTI bisher keiner wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten hat, weswegen er in Deutschland (anders als in den USA) auf verbreitete Ablehnung stößt, obwohl er nicht mehr zu sein behauptet als ein Indikator – ein Anhaltspunkt. Über den MBTI ist kaum etwas auf Deutsch zu finden. Viele Kritikpunkte sind aus wissenschaftlicher Perspektive auch nicht einfach vom Tisch zu wischen. Einer meines Erachtens schon: Selbst wer sich mit Psychologie kaum auskennt, ihre Argumente nicht beurteilen kann und nie den Namen Carl Gustav Jung gehört hat, versteht, was der Barnum-Effekt ist. Man kennt ihn von den Horoskopen aus der Tageszeitung. Er „bezeichnet die Neigung von Menschen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person so zu interpretieren, dass sie als zutreffende Beschreibung empfunden werden“, so Wikipedia. Auch dem MBTI wird der Barnum-Effekt zugeschrieben. Zu unrecht, wie ich finde. Die einzelnen Persönlichkeitstypen sind meiner Ansicht nach zu differenziert, zu detailliert beschrieben und damit zu wenig miteinander austauschbar. Ich halte sie für alles andere als vage.

Dennoch. Hätte sich meine Therapeutin von mir auf diesen Zug hochziehen lassen, hätte ich das entsprechend merkwürdig gefunden. Nein, ab hier war ich allein. Allerdings nur in dem Sinne, dass ich alles, was mit dem MBTI zu tun hat, weitgehend für mich behalte. Generell anderen Menschen gegenüber, nicht nur meiner Therapeutin. Ich habe Philosophie studiert, wurde in kritischem Denken geprüft, und Zweifel ist mein zweiter Name. Ändert alles nichts an meiner Schwäche für den MBTI. Denn Kenntnis schützt nicht vor Bauchgefühl. Oder dem Verlangen. In meinem Fall dem Verlangen nach einem tieferen Verständnis für mich selbst — wie ich kognitiv „funktioniere“ —, nach Zugehörigkeit und dem Gefühl, mit meinen Schwierigkeiten nicht allein dazustehen. Judge me for that. Mir ist ein unglaubliches Gewicht von den Schultern gefallen, als ich mit anderen in Kontakt kam, denen es geht wie mir. Das kann mir keine Kritik am MBTI nehmen, und das ist für mich sein Wert. War ich in meinem Leben vor dem MBTI noch überzeugt, beim Flug über diese Erde aus Versehen von Bord gefallen zu sein, bin ich jetzt Teil einer Community von ähnlich Gesinnten und denke endlich, dass ich das Recht habe, hier zu sein. Mit all den Grenzen in meinem Rucksack, der für mich immer wie ein Fallschirm aussah, den ich kurz nach meiner Geburt benutzt haben muss.

Es ist kein Zufall, dass INFJ unter den sechzehn MBTI-Typen als der Persönlichkeitstyp gilt, der am seltensten ist. Nein, das ist nicht fancy. Es ist nicht erstrebenswert. Es macht mich nicht zu einem besonders schönen Schmetterling oder einem Einhorn, dessen Kacke bunt glitzert und das euch die Zunge rausstreckt, während es der Sonne entgegenfliegt. Es erklärt lediglich mein Gefühl der Einsamkeit, der Fremdheit unter Menschen und dass ich herangewachsen bin zu einer Frau, die denkt, dass sie nicht richtig tickt.

Aber was genau macht mich zu einer „INFJ“? Was bedeuten diese Buchstaben? Was zeichnet mich aus? Das erkläre ich euch im nächsten Beitrag.

3 Gedanken zu “MBTI – Myers & Briggs

  1. *seufz* ich kann Dir so gut nachfühlen, mir gehts genauso. Vor allem diese Fremdheit gegenüber anderen Menschen…vom falschen Planeten, definitiv 😉

    1. Es gibt also noch mehr von uns ❤ Wir sind nur weit gestreut. Nicht zur selben Zeit abgesprungen, würde ich vermuten 😉

Hinterlasse einen Kommentar