Neue Flausen

David und ich begegneten uns eines frühen Sommers in ei­ner Vorle­sung an unserer Uni. Allein das war schon erstaunlich, betrachtet man den Umstand, dass es eine Geschichtsvorlesung war und er Physik studierte. Und beachtet habe ich ihn anfangs nicht. Ich wollte so manches, aber nicht auffallen als ein Mädchen, das sich für einen Jungen interessierte. Ich war so unfassbar unnahbar. Abgesehen von dem Typen in der Reihe hinter mir, der mir ungefragt den Rücken klopfte, als ich mich an Apfelsaft verschluckte, der konzentrierter war als ich. Danke an dieser Stelle. Machte mich gar nicht verlegen. Ebenso nicht die noch glühenden Wan­gen, mit denen ich nur Momente danach David, der sich inzwischen neben mich gesetzt hatte, um einen Kuli bat; ich vermute, es war auch diesen Wangen geschuldet, dass er mich irgendwann, Monate später, fragte, ob ich tatsächlich meinen Kugelschreiber ver­gessen hatte oder nur Kontakt zu ihm suchte. Ich fand diesen Gedanken süß. Aber — nein. Suchte ich nicht. Ich wollte mir Notizen machen. David hat mich nicht interessiert. Zu jung, zu unange­passt, zu intellektuell. Ich habe kein Problem mit klugen Männern, solange ich die Witze, die sie neben mir machen, noch verstehe (wenn schon den Dozenten nicht mehr). Mir war — wie man das eben beurtei­len kann, während man so entschlossen wie ich ignoriert — seine Gescheitheit zu rausgekehrt.
Aber alle Vorurteile verflogen ziemlich schnell. Als ich ihn wegen des besagten Kulis antippte, zupfte er auf­richtig irritiert an seinem Pullover und fragte mit weit aufgerissenen Augen: „Du brauchst meinen Pulli?“
Ich habe an diesem Tag gelernt, dass man in Norddeutschland Kugelschreiber sagt, und David war einen Moment lang etwas sprachlos angesichts meiner Bitte.
Beim Anblick des Gesichtes, das er machte, musste ich lachen. Ein bisschen zu viel für jemanden, der eigentlich unnahbar war.


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