It’s the stupid details that my heart is breaking for — Elvis Costello.
INFJ ist — wie alle Bezeichnungen der sechzehn Persönlichkeitstypen des MBTI — ein Akronym, das sich aus den Funktionen zusammensetzt, die eine Person vorwiegend benutzt:
Introversion oder Extraversion, Intuition oder Sensorik, Denken oder Fühlen, Perception (= Wahrnehmung) oder Judgement (= Beurteilung).
Klingt kompliziert.
Was bedeutet das für mich?
- Motivation: Ich bin introvertiert, d. h. nach innen orientiert. Wenn ich in meinen Gedanken versunken bin, nehme ich mit meinen Sinnen nicht viel von der Außenwelt wahr. Dadurch, dass meine Aufmerksamkeit hauptsächlich nach innen gerichtet ist, werde ich in allen Lebenslagen auch nur von innen angetrieben — zum Beispiel von meinem Wertesystem, von den moralischen Prinzipien, die ich verteidige, von Mitgefühl oder von Idealvorstellungen wie Authentizität oder Gerechtigkeit. Für alles, was ich tue, kann ich mich allein von innen her motivieren; äußere Anreize wie Geld, Status oder Image wirken für mich nicht. Natürlich erkenne ich die Notwendigkeit materieller Dinge an, doch wenn ich etwas tue, um Geld zu verdienen, fühle ich mich dazu gezwungen, nicht motiviert. Auch um mich zu regenerieren, um Kraft zu tanken, brauche ich den Rückzug und Abstand zur Außenwelt.
- Verarbeitung: Mit meiner Intuition kann ich mich auf einen „sechsten Sinn“ verlassen. Das heißt, ich habe Zugang zu Dingen, die unbewusst, nicht ausgesprochen oder nicht offensichtlich sind. Ich erkenne Zusammenhänge, ohne dass konkrete, benennbare Tatsachen auf sie hindeuten. Das hat damit zu tun, dass ich sehr schnell viele Details wahrnehme, die ich verarbeite und die sich dann zu einem Gesamtbild und einer entsprechenden Einsicht verdichten.
Folgen: Diese introvertierte Intuition (Ni) — meine dominante Funktion — zeigt mir in der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft und im Kontakt mit meinen Mitmenschen immer sehr deutlich, wo meine Umwelt und das, was vor sich geht, in Widerspruch zu meinem Empfinden und meinen Prinzipien steht. Dadurch kommt es oft dazu, dass ich mich wie ein Außenseiter oder Sonderling fühle. Und die idealistischen Vorstellungen, an denen ich festhalte, lassen sich in der Realität nicht immer umsetzen — aber ich kann sie auch nicht aufgeben. Hier liegt begraben, warum ich anfällig für Depressionen bin. Außerdem wirke ich oft abwesend und „verpeilt“, wenn ich mal wieder etwas, das um mich herum geschieht, nicht mitkriege, weil ich so mit inneren Prozessen beschäftigt bin.
Durch meine Intuition bekomme ich rasch ein tiefes Verständnis für Sachverhalte und kann sie dadurch für mich verlässlich bewerten. Zugleich bin ich aber selten in der Lage, eine Erkenntnis, die nicht nur auf Sinneserfahrung zurückgreift, nach außen hin zu begründen oder nachvollziehbar zu machen — weshalb es mir schwerfällt, andere davon zu überzeugen, während ich auch mit guten Argumenten nicht mehr von meiner Haltung abzubringen bin. Ich vertraue meiner Intuition wie nichts und niemand anderem. Das macht mich selten beliebt 😉 Zum einen wirke ich ziemlich stur, wenn ich unbeirrt auf meinem Standpunkt beharre, ohne ihn einleuchtend begründen zu können, zum anderen begegne ich ab und zu dem Enthusiasmus anderer mit Pessimismus, wenn ich eine bestimmte Entwicklung voraussehe — und verderbe ihnen damit die Laune.
Oft fühle ich mich von den Eindrücken der Außenwelt überfordert, da ich mich auch an Kleinigkeiten reibe und mich von im Grunde unwichtigen Dingen ablenken lasse. Entscheidungen fallen mir angesichts der Fülle an Informationen, die auf mich einhauen, extrem schwer. Ich muss vieles, oft Widerstreitendes gegeneinander abwägen oder in Einklang miteinander bringen. Das macht mich in Entscheidungsprozessen langsam, was meine Mitmenschen Geduld und Nerven kostet. Es braucht viel Zeit, bis ich alle Infos verarbeitet habe und mir über eine Situation Klarheit verschaffen kann. Das ist der Grund, warum ich es zum Beispiel vermeide, zu telefonieren, vor allem mit Kunden. Ich ziehe E-Mails vor, weil sie mich nicht so unter Druck und Zugzwang setzen, wenn ich noch einen Moment brauche, um zu reagieren, weil mein Verarbeitungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Er erfordert den Kontakt mit mir selbst, weil ich nicht in harten Fakten denken kann. Wenn ich gezwungen werde, zu telefonieren, da heutzutage alles schnell und noch schneller gehen muss, sind meine Entschlüsse am Ende oft noch nicht ausgereift und ich kann im Nachhinein nicht zu meinen Zusagen stehen. Dann fühle ich mich auf einer mentalen Ebene wie vergewaltigt, besonders, wenn bei Verhandlungen diese Schwäche erkannt und ausgenutzt worden ist. Dass es so häufig zu diesem Zustand der Überforderung und zu einem Ergebnis kommt, das sich nicht mit meiner eigentlichen Haltung deckt, frustriert mich bis zur Resignation. Mein Selbstwertgefühl kann ich vom Boden kratzen.
- Entscheidungen: Ich bin sensibel. Meine Umwelt beurteile ich anhand meiner Gefühle, die sich durch meine introvertierte Intuition herausbilden. Dabei bin ich für die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen sehr empfänglich — so empfänglich, dass sie meine eigenen sogar überlagern. Und ich kann oft besser benennen, was in anderen vorgeht, als sie selbst.
- Lebensstil: Judging/Urteilen bedeutet für mich, dass ich Gewissheiten brauche, die mir Stabilität geben. Dieses Bedürfnis nach stabilen Strukturen macht mich in mancher Hinsicht unflexibel und nicht gerade spontan. Wenn etwas unvorhersehbar für mich ist, kann ich es kaum ertragen, und wenn ich äußere Umstände nicht beeinflussen kann, geht es mir ziemlich schlecht. Genauso geht es mir mit Dingen, die nicht abgeschlossen sind. Es fällt mir schwer, freizunehmen, solange ein Auftrag noch nicht erledigt ist, weil es mir nicht gelingt, ihn gedanklich beiseitezuschieben.
Folgen: Mein extravertiertes Fühlen (Fe) erinnert mich stets an die Erwartungen meiner Mitmenschen, von denen ich mich nur schlecht abgrenzen kann. Ich leide unter einem Perfektionismus, weil mir immerzu bewusst ist, welchen Ansprüchen ich gerecht und welchen Pflichten ich nachkommen sollte. Es gelingt mir nicht, Gedanken an die Konsequenzen meines Tuns zu verdrängen. Dieses Pflichtbewusstsein übt permanent Druck auf mich aus.
Mein Einfühlungsvermögen ist so ausgeprägt, dass ich beständig Gefahr laufe, meine eigenen körperlichen und psychischen Grenzen für andere zu überschreiten, mich selbst also zu vernachlässigen. Wer mich ausnutzen will, hat leichtes Spiel. Das Ergebnis ist ein anhaltender Erschöpfungszustand, der natürlich meine Depressionen verstärkt.
Harmonie ist mir eben wichtig. Und ich folge meinem Herzen, wie man so schön sagt — ob es vernünftig ist oder nicht. Mit sachlichen Argumenten beißt man bei mir auf Granit, wenn sie keine meiner Gefühlsebenen ansprechen.
Darüber hinaus bin ich übrigens nicht sehr praktisch veranlagt 😛 In allen materiellen Belangen brauche ich kompetente Unterstützung 😉 Wenn es um die Umsetzung meiner Visionen geht, bin ich eigentlich immer auf andere angewiesen, die sich bei praktischen Tätigkeiten wesentlich geschickter anstellen als ich.
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